Egger-Ergebnis sinkt deutlich
Stadt verdrängt den Wald als Rohstofflieferant Nr. 1
ar/fi. Die Egger-Gruppe hat im vergangenen Geschäftsjahr 2022/23 (bis 30. April) 4,45 Mrd. Euro umgesetzt, 5,1 % mehr als im Vorjahr. Das Ergebnis vor Zinsen, Ertragssteuern und Abschreibungen (Ebitda) ist im Vorjahresvergleich deutlich um 31,3 % auf 602,5 Mio. Euro zurückgegangen. Entsprechend rutschte auch die Ebitda-Marge erheblich von 20,7 % im Vorjahr auf 13,5 % in diesem Geschäftsjahr ab. Die Eigenkapitalquote sank auf 45,9 % nach 50,9 % im Vorjahr (2021/22: 42,0 %). Das gab der Holzwerkstoffhersteller aus Österreich im Rahmen seiner traditionellen Jahrespressekonferenz am Stammsitz in St. Johann in Tirol am 27. Juli bekannt. Besonders viel Platz wurden den Themen Nachhaltigkeit und dem Einsatz von Rest- und Recyclingholz eingeräumt.
Die Egger-Gruppe blickt auf ein äußerst volatiles Geschäftsjahr zurück, betonte Thomas Leissing, Sprecher der Gruppenleitung und zuständig für die Finanzen und die Verwaltung in der Gruppe, bei Vorlage der Zahlen Ende letzter Woche. Dabei nannte er als Gründe die bekannten Herausforderungen wie stark steigende Zinsen, Inflation, rückläufige Neubauzahlen, sehr volatile Rohstoff- und Energiemärkten sowie geopolitische Unsicherheiten. Trotzdem habe sich die Gruppe stabil entwickelt, bilanzierte er.
Pendel schlägt zurück auf nachhaltiges Niveau
Leissing: „Wir freuen uns, dass wir insbesondere in der aktuell herausfordernden gesamtwirtschaftlichen Lage ein weiteres erfolgreiches Geschäftsjahr abschließen konnten. Die letzten Jahre sind für unsere Branche als außergewöhnlich einzustufen, die Nachfrage nach unseren Produkten war während der Pandemie aufgrund des einhergehenden Cocooning-Effekts extrem hoch. Wir sehen nun eine Rückkehr unserer wesentlichen Kennzahlen auf ein stabiles und langfristig nachhaltiges Niveau.“ Und ergänzte: „Unsere stabile finanzielle Basis sowie unser seit jeher gelebter Ansatz des nachhaltigen und verantwortungsvollen Wirtschaftens verschaffen uns Stabilität auch in einer herausfordernden Gemengelage. Wir konnten im abgelaufenen Geschäftsjahr zudem einen entscheidenden Wachstums-Meilenstein erfolgreich realisieren. Durch die Mehrheitsbeteiligung am italienischen Holzwerkstoffhersteller Saib befindet sich das 21. Werk der Egger-Gruppe in Caorso.“
Investiert in Recycling
Im abgelaufenen Geschäftsjahr wurden 540,6 Mio. Euro investiert (Vorjahr: 293,6 Mio. Euro). Davon entfielen 112,3 Mio. Euro auf Erhaltungsinvestitionen (99,1 Mio. Euro). Dabei lag der Fokus auf den Bereichen Kreislaufwirtschaft, erneuerbare Energie und optimierte Logistik sowie auf weiteren Veredelungskapazitäten. Vornehmlich investiert wurde an den Standorten in St. Johann, Brilon, Lexington (USA) und Rambervillers in Frankreich. Im Werk in Wismar wird aktuell die Leimfabrik erneuert. In Lexington wurden 38 Mio. Dollar in die Produktionsanlage investiert, um u. a. die Möglichkeit der Verarbeitung von recycelten Rohstoffen zu verbessern.
Bei den Wachstumsinvestitionen in Höhe von 337,7 (Vorjahr: 194,5 Mio. Euro) und dem Cash Out für den Erwerb von Tochterunternehmen (94,6 Mio. Euro) entfiel ein großer Anteil auf den Werkskauf für den neuen Standort in Italien, zudem den Erwerb von Recyclingunternehmen in Deutschland (M+P Umweltdienste GmbH aus Ove-rath bei Köln) und den USA (Novem Industries Inc aus Charlotte in North Carolina) durch die Egger-Tochter Timberpak zum 3. Januar dieses Jahres.
Stolz ist man bei Egger darauf, dass 65 % des eingesetzten Holzes aus Recycling oder Nebenprodukten industrieller Holzbearbeitungsschritte wie Hackschnitzel oder Sägespäne stammen. 70 % der eingesetzten Energie werden zudem aus erneuerbaren Quellen bezogen. „Als produzierendes Unternehmen sieht Egger sich in der Verantwortung, aktiv zum Klimaschutz beizutragen und hat den Anspruch, die eigenen klimawirksamen Emissionen stetig zu verringern. Diese Ambitionen werden in künftigen Investitionsvorhaben klar zum Ausdruck kommen“, betonte Frank Bölling, Gruppenleitung Logistik. So soll an allen Standorten durch Verwertung von Holzresten und den Einsatz von Photovoltaik in zunehmendem Maße Strom und Wärme erzeugt werden. Und als Rohstofflieferant Nr. 1 diene mittlerweile nicht mehr der Wald, sondern die Stadt – Egger setzt verstärkt auf die Verwendung von Recyclingmaterialien und arbeitet dafür eng mit Wertstoffhöfen und Entsorgern zusammen.
Ein bedeutender Hebel für den Klimaschutz liegt dabei in den Produkten selbst. Die Gruppe produzierte im letzten Geschäftsjahr rund 9,6 Mio. m³ Holzwerkstoffe und Schnittholz (Vorjahr: 10,5 Mio. m³) – diese Menge speichert rund 6,4 Mio. t CO2. „Wir konnten unsere Primäranlagen trotz Herausforderungen in unseren Lieferketten im abgelaufenen Geschäftsjahr gut auslasten. Die allgemein gestiegene Nachfrage nach unserer wichtigsten Ressource Holz setzt uns zunehmend unter Druck und unterstreicht einmal mehr die Relevanz der kaskadischen Holznutzung, von der wir seit jeher überzeugt sind“, schilderte Hannes Mitterweissacher, in der Gruppenleitung verantwortlich für Technik und Produktion.
Gleichzeitig mit dem Jahresfinanzbericht hat die Egger-Gruppe den aktuellen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Er enthält die Strategie der Gruppe, Zielsetzungen und Leistungen hinsichtlich ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte der Nachhaltigkeit (egger.com/nachhaltigkeit).
Rückgänge beim Sägewerk in Brilon
Die Entwicklung in den einzelnen Produktbereichen fiel im abgelaufenen Geschäftsjahr unterschiedlich aus. „Die Marktlage ist eine völlig andere als in den vergangenen Boom-Jahren. Auswirkungen auf die Nachfrage ergeben sich insbesondere durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten und den Rückgang der Baugenehmigungen“, erläuterte Michael Egger jun., in der Gruppen verantwortlich für Vertrieb und Marketing.
Der Bereich Decorative Products (Produkte für den Möbel- und Innenausbau) erwirtschaftete laut Egger einen unkonsolidierten Umsatz von 3,78 Mrd. Euro (+8,9 %). Mit Fußbodenprodukten (Flooring Products) setzte Egger 511,1 Mio. Euro um (+0,8 %). In beiden Produktbereichen erklären sich die Umsatzzuwächse im Wesentlichen durch die kostenbedingten Preissteigerungen, betonte Michael Egger. Für den dekorativen Bereich habe aber auch der Zukauf von Saib und das weitere Hochfahren der Fertigung in Lexington beigetragen. An beiden Standorten ist das Hauptprodukt die beschichtete Spanplatte. Das US-Werk ist bereits Ende 2020 angelaufen, im Vollausbau sollen dort bis zu 650 000 m³ Spanplatten gefertigt werden. Im Geschäftsbericht heißt es dazu, dass die „Anlaufphase nun bereits weiter fortgeschritten ist“.
In der Division Building Products (Bauprodukte wie OSB und Schnittholz) fiel der unkonsolidierte Umsatz um 18,7 % auf 434,8 Mio. Euro ab. Einen großen Anteil an dem Rückgang hat dabei das Sägewerk in Brilon, heißt es im Finanzbericht. Besonders im US-amerikanischen Raum gestalte sich das Marktumfeld für Schnittholz nach den außergewöhnlichen Corona-Jahren rückläufig.
Die wesentlichen Vertriebskanäle waren auch im vergangenen Geschäftsjahr der Handel und die Industrie. Dabei wurden über den Handel 52,6 % umgesetzt (Vorjahr: 54,7 %), über die Industrie 40,5 % (38,2 %). Der Umsatzanteil im Vertriebskanal DIY bleibt mit 6,9 % weiterhin einstellig (7,1 %).
Die größte Vertriebsregion bleibt Westeuropa mit 2,285 Mrd. Euro mit einem Vertriebsanteil von 51,3 % (51,6 %) vor Zentral- und Osteuropa mit 1,3 Mrd. Euro und einem Anteil von 29,4 % (31,1 %). Zugenommen hat vor allem der Anteil von Nord- und Südamerika von 9,6 auf jetzt 12,6 % und einem Umsatz von 561 Mio. Euro.
1100 Mitarbeiter in Russland
Die Zahl der Mitarbeiter lag zum Ende des Geschäftsjahrs bei 11 216. Im Jahresschnitt waren 10 987 Mitarbeiter beschäftigt, rund 350 mehr als im Vorjahr und rund 1000 mehr als im Geschäftsjahr 2019/20. Die meisten Mitarbeiter waren zum 30. April in Deutschland (3 075), Österreich (1746) und Russland (1159) beschäftigt.
Im Geschäftsbericht heißt es zu Russland: „Die Geschäftstätigkeit in Russland erwirtschaftet aktuell etwa 7,9 % des Konzernumsatzes. Ein Wegfall dieses Marktes würde Egger nicht substanziell gefährden. Der Buchwert der langfristigen Vermögenswerte der beiden Werke in Russland (Shuya, Gagarin) beträgt zum Stichtag 4,3 % der gesamten langfristigen Vermögenswerte … der Gruppe.“ Zur Einhaltung aller EU-Sanktionen hat der Konzern „eine strikte Compliance-Struktur und ein Programm“ eingerichtet.
Ausblick getrübt
Die andauernde Krise in der Ukraine, die volatilen Energie- und Rohstoffmärkte, die in wesentlichen Absatzregionen anhaltend hohe Inflation und weitere drohende geopolitische Krisen sowie die Herausforderungen des Klimawandels sind auch die bestimmenden Elemente im wirtschaftlichen Ausblick. Der ist in der Umsatz- wie auch der Ergebnisentwicklung gedämpft. Leissing: „Eine Vorausschau für die nächsten Monate ist überaus schwierig. Wir sind dennoch überzeugt, dass wir mit unserer strategischen Ausrichtung des langfristigen Wachstums aus eigener Kraft die richtigen Weichen gestellt haben. Wir setzen weiterhin auf Produktvielfalt, Marktdiversifizierung, stabile Beziehungen mit unseren Partnern und stetige Innovationen für unsere Kunden. Zudem werden wir uns stark auf eine weitere Verbesserung unserer Nachhaltigkeitsleistung fokussieren.“
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